Schottland 2013
Anreise
Ich habe mich mit Ruedi in Calais verabredet. Zeit: unbestimmt. Ruedi fährt mit seiner 1190’er Adventure (KTM) von Selzach (CH) die rund 900 km Autobahn, ich fahre zwar genauso Autobahn, aber halt von Karben aus und mit der F 650 GS (BMW). Das Wetter ist gut.
Über Köln, Aachen, Lüttich, Namur und Lille geht es bis Calais. Dank Navi, über das wir mitlerweile beide verfügen, treffen wir uns problemlos gegen 16:00 Uhr in Calais. Kurze Begrüßung, ab zum Fährhafen.
Der Preis, den uns die Überfahrt kosten soll, ist uns zu hoch und die Abfahrt zu spät.
Weiter zum Channel Tunnel, hier sieht es schon viel besser aus. Der Preis ist gleich etwa 30 € günstiger und der Zug fährt quasi gleich ab. Super, Fahrkarte gekauft und ab zum Zug. 35 Minuten später stehen wir fahrbereit in England. Wir verlassen Folkestone auf kleinen Sträßchen und werden gleich mit Fahrspaß und schönster Landschaft verwöhnt. Die Umstellung auf den Linksverkehr gelingt auch fast problemlos.
Lediglich beim Abbiegen schauen wir anfangs immer in die falsche Richtung, was für das ein oder andere heftige Ausweichmanöver sorgt. Nachdem wir in Rye kein freies Zimmer mehr bekommen fahren wir bis Hastings. Hier finden heute Karnevalsumzüge statt – verrückt, die Briten! Trotz des Trubels bekommen wir noch ein gutes Zimmer in einem der zahlreichen Hotels. Dann zum Abendessen. Auch das ist erstaunlich gut! Wenn das so weitergeht, muss Ruedi seine Vorurteile, was das Essen angeht über Bord schmeißen.
Am nächsten Morgen geht es nach einem fantastischen Frühstück bei Sonnenschein weiter. Wieder wählen wir zunächst kleine Straßen. Wir umfahren London lieber großzügig und befahren zunächst schöne kleine Landstraßen. Durch lichten Wald geht es so über Hailsham, Cowfold, Petersfield bis kurz vor Winchester. Dann geht es zügiger über breite Zufahrtsstraßen bis Newbury. Ab Newbury geht es dann auf den Motorway (Autobahn) Richtung Norden. Wir lassen es richtig krachen, die KTM ist natürlich auch hier in Ihrem Element, die BMW muss sich da schon mehr quälen. Erst bei Harrogate unterbrechen wir die wilde Hatz, verlassen den Motorway und suchen in Harrogate ein Hotel. Die Altstadt ist richtig schön. Wir genießen das wieder gute Abendessen in einem kleinen Restaurant. Ruedis Vorurteile bezüglich des britischen Essens schwinden weiter.
12.08.2013
Wieder erwartet uns ein sehr gutes englisches Frühstück. Besonders die „baked beans“ und die „sausages“ haben es uns angetan. Auch Wetter und Temperatur stimmen. So rollen wir weiter. Zunächst wieder im Eilzugtempo über den Motorway bis Stirling. Jetzt sind wir wirklich in Schottland angekommen. Stirling durchfahren wir ohne Halt – obwohl die Stadt einen wirklich guten Eindruck auf uns hinterlässt. Jetzt geht es endlich über kurvenreiche Straße in die Highlands. Die A 84 und A85 bringen uns durch den „Loch Lomond and The Trossachs National Park“ bis Crianlarich. Vorbei an Flüssen, Seen und Fjorden (die heißen hier beide „Loch“) geht es durch eine herrlich grün-bunte Mittelgebirgslandschaft. Der Asphalt ist griffig, der Verkehr spärlich, das Wetter (noch) gut. So muss Urlaub sein. Die Landschaft ist „very picturesque“, wir sind geradezu überwältigt. Die Farben, das Licht und diese großartige Gegend beeindrucken uns sehr. Die kurvenreiche Landstraße tut ihren Teil dazu. Einfach klasse!
In Crianlarich wollen wir übernachten, aber alle Hotels sind ausgebucht. Also müssen wir weiter. Das ist bei den Straßen und der Gegend nicht wirklich schlimm, nur der jetzt einsetzende Regen stört etwas. Trotzdem genießen wir die Fahrt über die A 82 wieder. Die Aussichten auf den Loch Lomond und die umliegenden Berge sind vielleicht noch schöner als vorhin. Zwischen Tarbet und Arrochar finden wir eine Unterkunft (B&B) für die Nacht. Der Vermieter ist ein freundlicher älterer Herr, der uns einige Tipps für den Abend und auch für die Weiterfahrt gibt. Wir spazieren noch etwas durch Arrochar und dem zugehörigen „Loch“ vorbei. Dann wieder ein sehr gutes Abendessen. Jetzt sind Ruedis Vorurteile gänzlich beseitigt. Zum Abschluss genehmigen wir uns noch einige Single Malt’s. Der Rückweg ins Haus wird lustig.
13.08.2013
Morgens begrüßt uns die Sonne und wieder genießen wir ein sehr gutes Frühstück. Die Unterhaltung mit unserem Vermieter lockert die Atmosphäre zusätzlich auf. Bester Stimmung steigen wir danach auf die Motorräder. Heute folgen wir der zerklüfteten Küste. Über kleinste Straßen geht es bis Lochgilphead. Die Sonne scheint, es ist warm. Wir machen in diesem überschaubaren Ort eine kleine Pause. Dann geht es weiter. Richtung Orban. Dabei sollte man sich die Zeit nehmen und die kleine Stichstraße bis Crinan auch unter die Räder nehmen. Unser Vermieter hatte uns die Straße wärmstens ans Herz gelegt und er hatte Recht. Es geht über eine Single Road durch eine beschauliche Landschaft. Etwas Landwirtschaft, Bäume, Büsche und Wiesen, einige kleine Anwesen, so zieht sich die Straße dahin. Dann über eine Mini-Schleuse auf eine womöglich noch engere Single Road, dann haben wir die kleinen Hafenstadt Crinan erreicht. Die Sonne lacht, ein Restaurant lockt mit Kaffee und Scones (kleiner, leckerer Kuchen), im Wasser dümpeln ein paar Schiffe, in einer Garage wartet ein Oldtimer auf seine Auferstehung, ein Maler versucht die ganze Szene festzuhalten. Momente, unbezahlbar!
Trotzdem zieht es uns nach ausgedehnter Pause weiter. Wir wollen mehr Schottland erleben. Die rund 20 Kilometer zurück, dann wieder auf die A 820. Wieder Kurven, berge, Wasser, grün. So geht es über Oban am Loch Linnhe vorbei bis Fort William, einer lebhaften Hafenstadt. Dann einige Kilometer auf die A830 bis wir die Abzweigung nach Strontian erreichen. Jetzt folgt ein Highlight der Tour: Eine besonders enge Single Road führt zunächst etwa 25 Kilometer am Loch Linnhe entlang durch weite Küstenlandschaft und lichte Wälder. Malerische Dörfer, brütende Vögel, nur sehr selten Gegenverkehr, der aber dann gerne in Form von großen Traktoren oder reiseigen Sattelschleppern, bester Asphalt und Kurven, so zieht sich die Straße dahin. Ein wahrer Fahr – Rausch! Der hört in Strontian noch lange nicht auf. Jetzt kommt auch noch ein auf und ab über Kuppen dazu, Die Landschaft und die Straßenführung bleiben. Jetzt geht es am Fjord Loch Sannart vorbei bis wir irgendwann nach etwa 65 äußerst kurzweiligen Kilometern wieder die A830 erreichen. Es ist mittlerweile kühler geworden, jetzt fängt es auch an leicht zu regnen. So beschließen wir die heutige sehr kurzweilige Fahrt in Mallag, der Fährstation zur Insel Skye. Und wir beschließen den Tag fast schon traditionell. Ein sehr gutes Essen und einige Single Malt sind ein würdige Abschluss für einen solchen Tag.
14.08.2013
Wieder Sonne, super Frühstück, doch am Fährhafen die Überraschung. Die Fähre muss man reservieren (auch als Motorradfahrer!), die nächste für uns machbare Fähre fährt erst um 13:45 ab. Nein Danke, so lange wollen wir nicht warten. Wir drehen und fahren halt übers Festland weiter. Also zuerst mal zurück nach Fort William. Dann über die A82 am Loch Lachy vorbei bis Invergarry, dort auf die A87 bis Dornie. Mit den vielen summit’s (Kuppen) auch seine sehr unterhaltsame Strecke. Bei Dornie kurz das „Ellean Donan Castle“ (bekannt aus dem Film „Highlander“ und irgendeinem der Bond-Filme) besichtigt und schon geht es weiter. Etwa 15 Kilometer auf der A890 und dann wieder so eine dieser wundervollen Single Roads, der A896, entlang. Diesmal geht es aber deutlich höher hinaus, die Berge erreichen jetzt immerhin locker über 1100 Meter Höhe. Bei Kinlochewe an einem Denkmal für im 2. Weltkrieg gefallene Soldaten kurze Pause. Hier sind schon einige Besucher, Busse, Autor und auch Motorradfahrer geben sich ein Stelldichein. Nichts für uns, zu viel los, also schnell weiter.
Es geht über die A832 durch eine jetzt schroffe aber herrliche Landschaft vorbei an zahlreichen Fjorden überwiegend wieder über diese herrlichen Single Roads vorbei an Gauirloch und Dundonnell bis Ullapool. Jetzt ist es nicht nur eine schöne Gegend sondern auch eine einsame. Kaum Dörfer oder Häuser und schon gar kein wahrnehmbarer Verkehr. Dafür Sonne, Berge, Meer, Seen, Flüsse und ein unwahrscheinlich schönes. Weiches Licht. Wolken türmen sich zunehmend auf den Bergen und in der Ferne über den Inseln. Uns scheint aber noch die Sonne bei etwa 25°C. So lässt sich die fast unberührte Natur hier wunderbar genießen. Das denkt vermutlich auch das Militär. Irgendwo in einem für uns namenlosen Tal gleitet ein riesiges, graues Flugzeug fast geräuschlos im Tiefflug über Bäume und Wiesen. Ein Fluss lädt zur Rast ein, wir machen Pause.
Als wir wieder losfahren, ändert sich das Wetter, es wird kühl und fängt auch bald an zu regnen. Wir hoffen auf einen kleinen Schauer, aber der Regen bleibt uns, teils sogar recht kräftig, bis zum Abend erhalten. Das stört nicht ganz so wie bei uns, da der Asphalt auch nass über einen immer noch herrlichen Grip verfügt. So rollen wir immer Richtung Norden durch die vielleicht bisher schönste Gegend, die wir in Schottland gesehen haben. Einfach Traumhaft. Wir sind beide einfach nur begeistert. In Durness wollen wir übernachten, aber wieder sind alle Zimmer bereits ausgebucht. Also weiter die Nordküste lang bis Tongue. Auch hier: alles ausgebucht. Immerhin kann man uns einen Schlafplatz in einem Poor House in Goldbackle vermitteln. Wir nehmen das Angebot dankend an. In dem 6 – Bett – Zimmer sind bereits 4 Gäste anwesend. Davon ein Pärchen aus Spanien, mit denen wir einen angenehmen Abend verbringen. Nur das englische bzw. schottische Abendessen bleibt uns heute vorenthalten.
15.08.2013
Morgens scheint schon wieder die Sonne. Das Frühstück fällt heute aus, also geht es gleich los. Wir folgen der Küstenlinie, wollen bis an den nordöstlichen Zipfel. Aber irgendwie leitet mich das Navi dann auf einen anderen Weg, so dass wir bei Thurso die herrliche Küstenstraße verlassen und auf der A9 bis Inverness fahren. Hinter Invernes noch ein kleines Stück die Küste lang bis Nairn, dann geht es wieder auf eine dieser Single Roads. Über Dava fahren wir in den „Cairngorms National Park“. Und befinden uns direkt wieder in einer relativ einsamen Mittelgebirgsgegend. Rauf und runter, kurvenreich, Wald und Flüsse bestimmen das Bild, das Wetter passt auch wieder – Klasse! Nur der am späten Nachmittag noch kurz aber heftig niedergehende Schauer trübt die Stimmung ein wenig.
In Grantown-on-Spey ist mal wieder kein Zimmer frei, so fahren wir eben bis Tomintoul. Dort finden wir ein Zimmer in einem kleinen Hotel im „Zentrum“. Noch ein kleiner Abendspaziergang, ein wieder sehr gutes Abendessen, einige Single Malt und die Welt ist in Ordnung. Zumindest fast. Irgendwie erwähne ich im Gespräch die fantastische „englische“ Küche und Braukunst, schon wird die Stimmung eisig. Erst nach mehrmaligem „sorry“ und natürlich meine ich „Scotland“ beruhigen sich die Gemüter wieder.
16.08.2013
Auch heute scheint morgens wieder die Sonne vom Himmel. Nach dem Frühstück zunächst in den gestern entdeckten „Whisky“-Laden einkaufen. Die Auswahl ist groß, die Beratung gut, nur schade das schon vier Busse ihre ‚Ladung‘ hier deponiert haben. So dauert der Einkauf doch etwas länger. Aber am Ende haben wir die wertvolle Fracht auch in den Motos deponiert und es kann weitergehen.
Wir durchfahren den Nationalpark, nehmen irgendwo in der Nähe von Colnabaichin noch eine kleine offroad – Passage unter die Räder. Nur schade, dass es ein Privatweg ist. Wir hatten das Schild dazu nicht gesehen, genießen diese Fahrt durch Wiesen und Wälder, doch nach der Rückfahrt werden wir von den Besitzern / Wächtern ganz schön genervt. Na gut, selbst schuld! Dann geht es weiter durch diesen herrlichen Nationalpark über Balmoral Castle und Breamar vorbei am „Devils Elbow“ (für einen sportlichen Moto – Treiber natürlich ein herrlicher Name), durch Rattray und Perth.
Jetzt verlassen wir diese herrlichen, griffigen, kleinen, kurvenreichen Landstraßen. Über den Motorway geht es bis Edinburgh. Ruedi will über die „Forth Bridge“ fahren. Ein guter Vorsatz, denn der Blick auf die den „Firth of Forth“ genannten Meeresarm überspannenden Brücken lohnt definitiv. Es folgt eine nicht ganz so schöne Stadtdurchfahrt, dann fahren wir wieder kleine Landstraßen. Über Peebles und Galasheis geht es vorbei am Skigebiet Cairngorm Mountains geht es bis Hawick, der „Cashmere Stadt“. Hotel, Abendessen Single Malt – unser Ritual! Schön.
17.08.2013
Heute Morgen ist es bewölkt, es sieht schwer nach Regen aus. Frühstück: wieder „very good, very british“. Dann noch ein letztes Stück dieser herrlichen Straßen genießen. Kurvenreich, Grip ohne Ende und im dauernden „Rauf und Runter“ folgen wir der Straße durch den „Northumberland National Park“ Die Motos fliegen förmlich über die „summits“, die Landschaft verzaubert mal wieder die Sinne, ein würdiger Abschluss dieser Reise.
Etwa 100 Kilometer später endet der Spaß. Bei Newcastle Upon Tyne geht es dann auf den Motorway. Wir lassen unsere Motos mal wieder ungehemmt laufen. Der Motorway ist einigermaßen frei, die ‚Blechkisten‘ machen bereitwillig Platz und wir reichlich Kilometer. Bei der Überfahrt über die Themse wird es etwas zäh, doch dank der ‚Unterstützung‘ eines wirklich zügig durch die Blechkisten fräsenden KTM – Fahrers schaffen wir auch diese Stück recht schnell. Die restlichen Kilmeter bis Folkestone gehen auch problemlos, so dass wir bereits gegen 16:00 Uhr am ‚Channel Tunnel‘ ankommen.
Wieder mühelos Fahrkarte gelöst, schnell in den Zug. Diesmal sind auch andere Motorradfahre da. Es entwickelt sich ein nettes Gespräch mit einer BMW F 650 (2 Zyl.) Fahrerin aus dem Kreis Bamberg, dann sind wir schon in Frankreich. Wir wollen ein Stück ras aus Calais, also zügig los. Bei einer der zahlreichen Ausfahrten aus einem Kreisverkehr plötzlich ein unschönes Geräusch, der Vortrieb an der BMW lässt schlagartig nach, die Kette ist gerissen. Jetzt wird es eng. Nachdem alles geregelt ist (Schutzbrief, Hotel, Abholung BMW) setzt Ruedi sich auf die Adventure und braust nach Hause. Ich suche mein Hotelzimmer in Calais und fahre am nächsten Tag via Eurotrain nach Hause. Echt ein Seuchenjahr, diese Jahr. Meine Motorradurlaube beende ich in der Regel mit dem Zug.
26.08.2013
Rückfahrt mit Eurotrain und ICE – Na, Klasse. Die BMW hole ich dann nächstes Wochenende wieder ab. Schwer bepackt quäle ich mich durch die Umsteigebahnhöfe, komme aber trotzdem glücklich und zufrieden zu Hause an. Schottland hat begeistert.
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